Brief an Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut zum Lieferkettengesetz

Unser Vorstandsmitglied Uwe Kleinert hat – anlässlich der am 02. Dezember stattfindenden Wirtschaftsministerkonferenz – einen Brief an Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.verfasst:

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut,

mit Blick auf den im Betreff genannten TOP der Wirtschaftsministerkonferenz am Montag möchte ich Sie eindringlich darum bitten, sich für ein wirkungsvolles Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode einzusetzen. Die Ergebnisse des NAP-Monitorings lassen keinen Zweifel daran, dass dringender Handlungsbedarf besteht, wie er nicht nur im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), sondern auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition formuliert ist.

Dort heißt es: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“

Wie sie wissen, sind die Ergebnisse des NAP-Monitoring außerordentlich enttäuschend ausgefallen: Nur 17 bis 19 Prozent der Unternehmen konnten darlegen, die Anforderungen des NAP an die menschenrechtliche Sorgfalt angemessen umzusetzen.

Die Wirksamkeit eines Lieferkettengesetzes hängt entscheidend von den folgenden Punkten ab: Ein Lieferkettengesetz muss …

  1. alle großen Unternehmen zu menschenrechtlicher Sorgfalt verpflichten, ebenso auch kleine und mittlere Unternehmen, wenn sie in Risikobranchen oder -ländern geschäftstätig sind (eine Begrenzung auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigen wäre angesichts der deutschen Wirtschaftsstruktur völlig unangemessen);
  2. sich eng an den UN-Leitprinzipien orientieren und grundsätzlich für die gesamte Lieferkette gelten (wobei natürlich dem Grundsatz der Angemessenheit Rechnung getragen werden muss);
  3. dafür sorgen, dass Opfer von fehlender menschenrechtlicher Sorgfalt vor deutschen Gerichten und nach deutschem Recht Schadenersatz einklagen können (Voraussetzung für einen ungehinderten Zugang wäre eine Beweislastumkehr);
  4. den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen anerkennen;
  5. behördlich kontrolliert und mit wirksamen Sanktionen (etwa dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen) durchgesetzt werden.

Dem von den Wirtschaftsverbänden vorgetragenen Argument, ein Lieferkettengesetz führe zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen, könnte man begegnen, wenn das Gesetz nicht nur auf hier ansässige, sondern auf alle hier geschäftstätigen Unternehmen angewendet würde (wie das u.a. beim Modern Slavery Act in Großbritannien und dem Wet Sorgplicht Kinderarbeid in den Niederlanden der Fall ist).

Ich möchte in dem Zusammenhang auf die zahlreichen Erklärungen von Unternehmen hinweisen, die sich für ein wirksames Lieferkettengesetz aussprechen, darunter auch solche aus Baden-Württemberg:

  1. Unsere Verantwortung in einer globalisierten Welt
  2. Statement der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten (INA)
  3. Positionspapier von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der Grünen Wirtschaft
  4. Europäischer Markenverband: Support for EU framework on mandatory human rights and environmental due diligence

In vielen Fällen geht es den Unternehmen, die verbindliche Sorgfaltspflichten befürworten, darum, nicht wegen ihrer freiwilligen Sorgfaltsmaßnahmen gegenüber Wettbewerbern benachteiligt zu sein, die nicht freiwillig tätig werden. Grundsätzlich gilt darüber hinaus, dass Wettbewerbsvorteile natürlich nicht zu Lasten von Menschenrechten und Umweltschutz gehen dürfen.

Die von diesem Anliegen getragene Unterstützung eines Lieferkettengesetzes kommt auch in den Beschlüssen des CDU-Parteitags vom November 2019 und der Bundesdelegiertenversammlung der Frauen Union der CDU im September 2019 zum Ausdruck.

Als DEAB-Vertreter im Rat für Entwicklungszusammenarbeit der Landesregierung (REZ) möchte ich gerne abschließend die Entwicklungspolitischen Leitlinien für Baden-Württemberg in Erinnerung rufen, in denen sich der folgende Grundsatz findet:

„Entwicklungspolitik bedeutet heute, weltweit die gemeinsame Verantwortung für eine ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähige Gestaltung der Zukunft wahrzunehmen. Das erfordert sowohl politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die sich an dieser Verantwortung orientieren als auch ein entsprechendes individuelles Verhalten. Dazu gehört, alles zu unterlassen, was entwicklungsschädlich ist.“

In der Anlage schicke ich Ihnen eine kurze Zusammenstellung zum Lieferkettengesetz, die ich im Namen des REZ vor genau einem Jahr auf seine Anfrage hin für Ministerpräsident Kretschmann erstellt habe. Außerdem verweise ich auf das DEAB-Positionspapier zur Landtagswahl (https://www.deab.de/fileadmin/user_upload/DEAB-Positionspapier-Landtagswahl-2021.pdf), das in Abschnitt 5 „Gerechtes Wirtschaften in den planetaren Grenzen“ ebenfalls die Unterstützung der Landespolitik für verbindliche Regeln auf Bundes-, europäischer und internationaler Ebene zum Schutz der Menschenrechte in der Wirtschaft fordert.

Mit der Bitte um Ihre Unterstützung in der Sache
grüße ich Sie herzlich,

Uwe Kleinert