Mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann hat der DEAB die Positionierung der Landesregierung zu TTIP kommentiert. Während der DEAB einige Aussagen des Positionspapiers von Mitte März ausdrücklich begrüßt, sieht er insbesondere aus entwicklungspolitischer Perspektive Defizite:
»So bekennt sich die Landesregierung zwar zu einem multilateralen Ansatz bei der Gestaltung der Globalisierung, begrüßt im Widerspruch dazu aber die Möglichkeit, auch mit TTIP globale Maßstäbe zu schaffen. Dem können wir aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen: TTIP ist ein bilaterales Abkommen und damit nicht geeignet, Standards für Länder zu setzen, die an den Verhandlungen nicht beteiligt sind.
Den Vorschlag für einen internationalen, rechtsstaatlich legitimierten Handelsgerichtshof halten wir nur unter der klaren Maßgabe für diskussionswürdig, dass er in bestehende Global Governance-Strukturen eingebunden und internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte, von Arbeitsstandards und der Umwelt verpflichtet ist. Ein Sonderklagerecht für Investoren gegen Staaten vor einem internationalen Gerichtshof lehnen wir ab. Wir bitten die Landesregierung deshalb, sich dafür einzusetzen, dass die Diskussion über einen internationalen Handelsgerichtshof aus den laufenden TTIP-Verhandlungen ausgegliedert wird.
Auch als bilaterales Abkommen hat die TTIP globale Auswirkungen, nicht zuletzt auf die Länder des Südens. Dabei steht zu befürchten, dass Veränderungen der Handelsströme die ärmsten Länder negativ treffen werden. Auch die globalen Klimaziele könnten durch das Abkommen beeinträchtigt werden. Wir fordern die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass das Abkommen so lange ausgesetzt wird, bis eine Folgeabschätzung insbesondere zu den Auswirkungen des Abkommens auf die Verwirklichung der Menschenrechte, der globalen Entwicklungsziele (SDGs) und der Klimaziele durchgeführt und deren Ergebnisse in einem modifizierten Verhandlungsmandat angemessen berücksichtigt wurden.
Gerade aus entwicklungspolitischer Sicht vermissen wir in dem Eckpunktepapier Aussagen zum öffentlichen Beschaffungswesen, das Bestandteil des Vertrages werden soll. Es ist zu befürchten, dass ein einseitig auf Marktöffnung ausgerichtetes Abkommen erhebliche Probleme für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung mit sich bringen wird. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich auch für die Aufnahme ambitionierter Standards im öffentlichen Beschaffungswesen und die Möglichkeit ihrer Weiterentwicklung in der TTIP einsetzt. Dadurch könnte das Abkommen auch direkt positive Effekte für Entwicklungsländer mit sich bringen.
Wir vermissen eine kritische Reflektion der Idee eines zwischenstaatlichen Regulierungsrates, der allen neuen Regulierungsvorhaben vorgeschaltet sein soll. Eine Anhebung von Standards würde damit aller Voraussicht nach erschwert und die parlamentarische Entscheidungshoheit untergraben werden. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich der angestrebten regulatorischen Kooperation widersetzt, solange nicht gewährleistet ist, dass sie die demokratischen Gesetzgebungsbefugnisse weder direkt noch indirekt einschränkt.
Schließlich vermissen wir eine kritische Positionierung zu dem Vorschlag – sowohl in den TTIP- als auch in den TISA-Verhandlungen –, öffentliche Dienstleistungen durch eine Negativliste von der Liberalisierungs-Verpflichtung auszunehmen. Wir bitten die Landesregierung, sich dem zu widersetzen, weil damit automatisch alle nicht ausdrücklich herausgenommenen Dienstleistungen, auch solche, die derzeit nicht von der öffentlichen Hand erbracht werden, liberalisiert werden müssten und künftige Re-Kommunalisierungen erschwert würden.
Ein grundsätzliches Problem sehen wir darin, dass die TTIP dem überkommenen Paradigma des Wirtschaftswachstums verhaftet ist. Für den notwendigen grundsätzlichen Wandel unserer Wirtschafts- und Lebensweise bietet die TTIP keinerlei Ansatzpunkte, im Gegenteil. Damit ist sie ein Freihandels-Abkommen alten Stils, das in das „Europäische Jahr der Entwicklung 2015“ und in eine Zeit, in der wir gemeinsam an einer Großen Transformation hin zu einer klimagerechten, sozialen und global fairen Wirtschafts- und Lebensweise arbeiten wollen, nicht mehr passt. Nicht zuletzt deshalb halten wir ein Aussetzen der Verhandlungen und ein grundsätzliches Überdenken der Verhandlungsziele im Sinne der entwicklungspolitischen Kohärenz für unumgänglich.«