Migrantische Expertise: Hoch wirksam, doch oft unterschätzt
Die Herbsttagung des DEAB beleuchtete die Themen Migration und Diversity in neuen Farben. Sie machte die immense Bedeutung migrantischer Expertise für Baden-Württemberg und die nachhaltige globale Entwicklung sichtbar und nahm die Politik für sie ein.
Die große Frage nach dem „Wir“ und seine Bedeutung für unsere Gesellschaft sowie für die globalen Nachhaltigkeitsziele stellte Matilda Freda Marful, DEAB-Vorstand, in den Mittelpunkt und stimmte damit die rund 70 Teilnehmenden ein auf das Thema „Die Chancen von Migration und Diversity für eine weltweit nachhaltige Entwicklung“ der 11. Entwicklungspolitischen Herbstkonferenz 2021 des Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB) am 8. November 2021.
Hier finden Sie ihr Begrüßungsworte.
Minister Manfred Lucha, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, hob in seiner Videobotschaft die herausragende Rolle der Migrantinnen und Migranten für die Entwicklungspolitik des Landes hervor und betonte auch die Bedeutung der Entwicklungspolitik nach innen: „Wir alle tragen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung, sozialen Frieden, soziale Gerechtigkeit und weltweite Solidarität. Dabei ist Entwicklungspolitik sehr wichtig.“ Er verdeutlichte: „Migrant*innen spielen eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik Baden-Württembergs und die globale nachhaltige Entwicklung. Sie sind Brückenbauer zwischen Baden-Württemberg und den Ländern des Globalen Südens. Das sehen und unterstützen wir mit dem Interkulturellen Promotor*innen-Programm (IKPP) des DEAB.“
Hier finden Sie die Video-Botschaft von Minister Manfred Lucha.
DEAB-Geschäftsführerin Claudia Duppel machte deutlich, dass sowohl nationale als auch internationale Positionspapiere Migration und Diversity als entscheidende Faktoren einer erfolgreichen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik benennen. Sie zitierte aus Dokumenten entwicklungspolitischer Organisationen in Deutschland, des REZ sowie der Agenda 2020 der Vereinten Nationen. „Die Kompetenzen der Migranten sind zentral, wir benötigen es, um globale Herausforderungen zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.“, so Duppel. Doch trotz dieser Anerkennung müssten viele Migrant*innen gegenüber Bürokratie und Gesellschaft nach wie vor beweisen, dass sie das Recht haben, hier zu leben.
Die Leistungen von Migrantinnen und Migranten ins richtige Licht zu rücken, sie zu vernetzen, zu beraten und zu fördern gehört zu den Aufgaben des Interkulturellen Promotor*innen-Programms (IKPP). Jenny Mushegera, Koordinatorin, fasste zusammen: „Es ist beeindruckend, was die Promotorinnen und der Promotor im ersten halben Jahr des Programms trotz der Einschränkungen der Pandemie geleistet haben“. Neben der Beratung migrantisch-diasporischer Organisationen haben sie öffentliche Veranstaltungen durchgeführt, sind Verantwortlichen in Museen, Schulen, Kommunen und Vereinen zu Fragen von Kolonialismus, Partizipation, Rassismus u.a. mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ziel des IKPP ist es, so Mushegera: „Das integrationspolitische Potential der entwicklungspolitischen MDO für die Eine Welt-Arbeit und den sozialen Zusammenhalt in der Migrationsgesellschaft zu nutzen.“
Die Präsentationen von Claudia Duppel und Jenny Mushegera finden Sie hier.
Beeindruckt von diesen Leistungen zeigte sich Prof. Dr. Birgit Locher-Finke, Abteilungsleiterin „Integration, Europa“ im Sozialministerium. Das Programm habe ein Alleinstellungsmerkmal. Es sei ein Verbund aus Eine-Welt-Arbeit, Teilhabe und Integration. „Ich habe einen sehr positiven Eindruck.“ Das Sozialministerium strebe an, die Förderung des Projekts zu verlängern, sei jedoch abhängig vom Haushaltsgesetzgeber.
Auch die entwicklungspolitischen Sprecher von CDU, Die Grünen, FDP sowie SPD bekräftigten, die Weiterführung des IKPP zu unterstützen. Für eine erfolgreiche Landespolitik, die Integration Geflüchteter und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele sei die Expertise und Sichtweise von Migrant*innen unabdingbar. Sie griffen das Thema Rassismus auf und eröffneten damit eine engagierte und kontroverse Diskussion.
Prof. Locher-Finke sagte, dass der Blick auf Migrant*innen oft mit Folklore verbunden sei, nicht mit interkultureller Kompetenz. „Wir brauchen einen anderen Blick auf die Potentiale der Migrantinnen und Migranten.“