Für den 7. Juli hatten der Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB) und die Werkstatt Ökonomie zu einem Workshop „Grabsteine ohne Kinderarbeit: Wege aus der Sackgasse“ eingeladen, um Handlungsperspektiven auf der rechtlichen Ebene, aber auch auf freiwilliger Basis zu diskutieren. Hintergrund waren die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim gegen Kehl und Stuttgart, mit denen die Verankerung des Verbots von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit in den Friedhofsatzungen der beiden Städte für nichtig erklärt wurden.
Markus Krajewski, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, machte deutlich, dass eine Ermächtigung des Landes an kommunale Satzungsgeber, ein Verbot für Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit in ihren Friedhofsatzungen zu verankern, nur möglich ist, wenn der parlamentarische Gesetzgeber zugleich klare Kriterien dafür benennt, welche Anforderungen er an die Nachweise stellt, die dann für jeden Grabstein vorzulegen sind. Insofern hält er eine Änderung des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes für unerlässlich. In dem Gesetz sollte auch festgelegt werden, für welche Herstellungsländer ein Nachweis nicht erforderlich ist, weil dort kaum das Risiko ausbeuterischer Kinderarbeit besteht, und wie zu verfahren ist, wenn ein glaubwürdiger Nachweis objektiv nicht zu beschaffen ist.
Benjamin Pütter von XertifiX sieht in indischen Steinbrüchen das zentrale Problem nicht mehr in ausbeuterischer Kinderarbeit, sondern vor allem in dem verbreiteten System der Schuldknechtschaft und in dem unzureichenden Arbeits- und Gesundheitsschutz. Trotzdem dürfe man Kinderarbeit nicht aus dem Blick verlieren, weil damit zu rechnen sei, dass sie wieder zunehme, sobald die öffentliche Aufmerksamkeit nachlasse. Auch für Saskia Klinger von Fair Stone spricht vieles dafür, nicht nur ausbeuterische Kinderarbeit auszuschließen, sondern die Einhaltung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und einen hinreichenden Arbeits- und Gesundheitsschutz zu fordern. Übereinstimmend wiesen beide darauf hin, dass zertifizierte Grabsteine bei entsprechender Nachfrage kurzfristig zur Verfügung stehen könnten.
Gustav Treulieb, Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks Baden-Württemberg, sieht die Steinmetze einem ungerechtfertigten Generalverdacht ausgesetzt. Ihm sei an einer sachlichen Auseinandersetzung darüber gelegen, was der beste Weg sei, ausbeuterische Kinderarbeit bei der Herstellung von Grabsteinen möglichst auszuschließen. Allerdings sei eine öffentliche Positionierung des Verbandes schwierig, weil man den Mitgliedern keine Vorschriften machen könne. Er sei aber weiter gesprächsbereit.
Andreas Dohrn, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde St. Petri in Leipzig, stellte sehr anschaulich die Arbeit der Leipziger Steuerungsgruppe „Faire Grabsteine“ vor, in der die Stadt Leipzig, die evangelische und die katholische Kirche, die israelitische Religionsgemeinde, der DGB Bezirk Leipzig-Nordsachsen, Steinmetzinnungen und die Kreishandwerkerschaft zusammenarbeiten. Das gemeinsame Positionspapier „Grabsteine ohne Menschenrechtsverletzungen auf Leipziger Friedhöfen“ beinhalte eine gemeinsame Analyse aller Beteiligten zu Menschenrechtsverletzungen in indischen und chinesischen Steinbrüchen. Vor dem Hintergrund der Leipziger Erfahrungen machte Andreas Dohrn eine Reihe sehr konkreter Vorschläge, was unterhalb der rechtlichen Ebene getan werden kann, um das Anliegen voranzubringen.
In eine ähnliche Richtung geht der „Karlsruher Weg“, den Sieghard Mayer vom Friedhofsamt der Stadt Karlsruhe vorstellte. Zwar ist auch in der Karlsruher Friedhofssatzung ein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit verankert, schon vorher habe es aber eine entsprechende Selbstverpflichtung der örtlichen Steinmetze gegeben. Im Übrigen setzt man in Karlsruhe auf die Beratung der Hinterbliebenen – sei es im Infozentrum des Friedhofsamtes, auf dessen Website oder in Broschüren und Faltblätter –, und in diesem Rahmen werde auch das Thema „Kinderarbeit“ angesprochen. Der Vortrag von Sieghard Mayer machte aber auch deutlich, wie dringend notwendig die Diskussion darüber ist, welche Nachweise als glaubwürdig gelten können.
DEAB und Werkstatt Ökonomie werden die Workshop-Ergebnisse aufgreifen und sich insbesondere dafür einsetzen, dass im Bestattungsgesetz Anforderungen an die Zertifikate formuliert und nach Möglichkeit nicht nur das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, sondern die Einhaltung aller ILO-Kernarbeitsnormen und die Gewährleistung eines ausreichenden Arbeits- und Gesundheitsschutzes verankert werden. Außerdem wollen sie an der Sensibilisierung aller Beteiligten weiterarbeiten und dabei nach Möglichkeit alle relevanten Akteure – einschließlich der Importeure und Steinmetze – einbeziehen.